Sehenswürdigkeiten

Das Naturschutzgebiet Liether Kalkgrube

die KalkgrubeEs lohnt sich, etwas Zeit mitzubringen, wenn Sie dieser einmaligen geologischen und ökologischen Besonderheit einen Besuch abstatten wollen. Bitte denken Sie jedoch auch daran, dass jede Veränderung und Beeinträchtigung der natürlichen Verhältnisse und Formationen verboten ist. Bitte nehmen Sie nichts mit - weder Pflanzen, Tiere noch Steine. Leinen Sie Ihren Hund an. Das Betreten ist nur auf den Wegen erlaubt. Die Naturschutzverordnung verbietet auch das Befahren der Grube mit Fahr- und Motorrädern, das Zelten, Reiten und Schwimmen sowie das Feuermachen. Durch Ihr rücksichtsvolles Verhalten leisten Sie einen Beitrag zum Naturschutz.

Das rund 16 Hektar große Naturschutzgebiet liegt östlich der Ortschaft Klein Nordende im Kreis Pinneberg. Die Gruben des Liether Gebiets entstanden durch den Abbau von Kalk, Ton, Sand sowie anderen Gesteinen in den vergangenen 150 Jahren. Hier wurden geologische Formationen freigelegt, die bis ins Erdaltertum, ca. 225 bis 270 Millionen Jahre, zurückreichen. Diese Dokumente der Erdgeschichte sind in Schleswig Holstein einmalig und auch überregional von besonderer Bedeutung. Auf Grund der extremen Standortverhältnisse in der Grube siedelten sich hier im Laufe der Zeit hochspezialisierte und z.T. anderswo stark gefährdete Lebensgemeinschaften an. Neben der geo- und biowissenschaftlichen Bedeutung der aufgeschlossenen Gesteinsformationen führten auch die ökologischen Besonderheiten dazu, dass das Gebiet im Oktober 1991 unter Naturschutz gestellt wurde.*

Durch Menschenhand aufgeschlossen

Beim Bau der ersten schleswig-holsteinischen Eisenbahnstrecke von Altona nach Kiel wurden im Jahr 1844 bei den Bauarbeiten Erdschichten angeschnitten, die aus dem Perm (Erdaltertum) stammen. Man fand rote Tone aus dem "Rotliegenden" und baute diese in den folgenden Jahrzehnten für die Herstellung von Ziegeln ab. Die verfallene Ziegelei in der Nähe der Grube am Bahnübergang "Roter Lehm" zeugt noch von dieser Zeit. Beim Tonabbau stießen Arbeiter dann auf grauen Zechsteinkalk und verwitterten Kalk, sogenannte Kalkaschen, die seit 1925 ebenfalls abgebaut und als Mineraldünger und z.T. auch als Wegschotter verkauft wurden.
1980 wurde in der cirka 30 Meter tiefen Grube ein Gipshut des älteren Zechsteins (Werra-Serie) im Top des Elmshorner Salzstockes freigelegt. Seit Ende 1986 findet in der Grube kein wirtschaftlicher Abbau mehr statt. Eine Pumpe sorgt dafür, dass die Grube sich nur bis zu einer festgelegten Höhe mit Grundwasser füllt. Während größere Bereiche in ihrer Entwicklung sich selbst überlassen werden, müssen die wichtigsten geologischen Aufschlüsse von Gehölzaufwuchs befreit werden, damit sie gut zu sehen sind.

Salzstock

Der Gipshut (80 Meter lang, 30 Meter breit und über 4 Meter hoch) und die umgebenen Kalke des älteren Zechsteins sind im Verlaufe der Jahrmillionen aus etwa 6-8 Kilometer Tiefe empor gepresst worden. Dadurch gelangte Gestein aus den Schichten des jüngsten Erdaltertums mit an die Oberfläche, u.a. auch der berühmte Kupferschiefer mit fossilen Fischresten (Palaeoniscus freieslebeni), die symbolisch in das Wappen von Klein Nordende eingearbeitet wurden. So erhält man heute oberirdisch Einblicke in die Geologie, für die man sonst in ein Bergwerk unter Tage einfahren muss. Dieser Ort wird von Wissenschaftlern als einer der bedeutendsten geologischen Aufschlüsse zwischen Schweden und dem Harz angesehen.

"Lieth-Serie"

Mit Hilfe der Gesteinsprofile aus dem Quartär (Eiszeitalter) können Rückschlüsse auf die jüngere erdgeschichtliche Entwicklung des Landschaftsraumes gezogen werden (Erdfälle, Braunkohleflöze, Moränen der ältesten Vergletscherungen Nordeuropas, Seeablagerungen, Dünen etc.) Die in ihnen enthaltenen, konservierten Pflanzenreste und Blütenstäube geben Auskunft über die Floren- und Klimaentwicklung Schleswig-Holsteins und Norddeutschlands. Sie stammen z. T. aus dem frühen Eiszeitalter, sind cirka 2,1 bis 0,6 Millionen Jahre alt und spiegeln den Wechsel von Kalt- und Warmperioden wider. Die in Europa einzigartige Schichtenfolge (noch ohne Vereisungen) wird als "Lieth-Serie" bezeichnet.
Durch Abtragung und Auslaugung der löslichen Salzgesteine im Untergrund bildete sich über dem Salzstock vor etwa 14 000 Jahren ein See. Sein Ufer war ein bevorzugter Rastplatz für steinzeitliche Jäger. Darauf deuten u.a. Reste von Feuerstellen und Werkzeuge aus Flintstein, die hier gefunden wurden (Federmesserkultur). Der See existierte einige hundert Jahre, bevor er verlandete und sich das Esinger/ Hainholzer Moor bildete.

Ersatzbiotop für seltene Arten

In den seit längerem unberührten Bereichen der Kalkgrube hat sich ein vielfältiges Vegetationsmosaik gebildet. Botanisch besonders wertvoll sind die kalkreichen, trockenen und wechselfeuchten offenen Böden und Schotterflächen sowie die Kalk-Riesel- und Kalk-Quellhänge, in denen sich z.T. eine typische Kalk-Sumpf-Flora eingestellt hat. Insgesamt wurden über 140 verschiedene Pflanzenarten gefunden, von denen 14 Arten (5 Moosarten, 9 höhere Pflanzen) in Schleswig-Holstein auf der "Roten Liste" als gefährdet eingestuft sind. Beispiele sind Sumpfherzblatt, Sumpfstengel, Breitblättriges Knabenkraut und Schwarzwerdende Weide. Infolge der Nutzungsaufgabe kommen in Teilbereichen unterschiedliche Sukzessionsstadien vom offenen Rohboden bis hin zu Vorwaldzonen (mit Sandbirke und Espe) vor. Über 20 verschiedene Biotoptypen bieten Standortverhältnisse, die bundesweit als selten gelten. Die Grube dient als Ersatzbiotop für an solche Extremstandorte gebundene Arten. Auch 6 gefährdete Tierarten wurden in dem Gebiet gefunden. Dazu gehören Amphibien wie Kreuz- und Knoblauchkröte, wärmeliebende Insekten und höhlenbrütende Vögel. Beobachten kann man hier gelegentlich auch Graureiher, Eisvogel, Uferschwalbe und Neuntöter. Die Grube ist über zwei Wege begehbar. Ein Rundweg mit Aussichtspunkten führt um die Grube herum, der zweite geht als Stichweg in die Mitte der Grube.
Auf einem geoökologischen Lehrpfad, der wie die anderen Gestaltungsmaßnahmen vom Umweltministerium finanziell gefördert wurde, erhalten Besucher Informationen über die Besonderheiten des Gebiets. Die Liether Kalkgrube gehört zum Naherholungsgebiet Liether/Esinger Moor und ist übrigens gut mit dem Fahrrad z. B. von Elmshorn, Tornesch oder Uetersen zu erreichen.


* (Fundstelle: LVO v. 18.10.1991, GVO-Blatt, S. 2)

Bildquelle: (c) 2004, Gerd Nelaimischkis

Zurück